Welt-Poliotag: 85 Prozent der betroffenen Kinder leben in Krisengebieten

Heute ist Welt-Poliotag. Besonders in fragilen und konfliktbetroffenen Ländern sind Kinder von Polio betroffen. UNICEF warnt, dass sich die Anzahl der Poliofälle in diesen Ländern in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat.

Ein Kind erhält eine Polio-Impfung.
Die zweite Runde der Polio-Impfkampagne begann am 14. Oktober 2024 im Gazastreifen mit dem Ziel, 591 700 Kinder unter zehn Jahren mit einer zweiten Dosis des neuartigen oralen Polio-Impfstoffs zu impfen.

Im Jahr 2023 waren weltweit 541 Kinder von Polio, auch Kinderlähmung genannt, betroffen. Laut einer neuen Analyse von UNICEF leben 85 Prozent dieser Kinder in einem der 31 fragilen, konfliktbetroffenen und vulnerablen Länder.

In diesen Regionen haben sich die Poliofälle in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Im Gegensatz dazu sind die Impfraten bei Kindern von 75 auf 70 Prozent gesunken. Dies liegt weit unter den 95 Prozent, die für eine Herdenimmunität erforderlich sind.

Die Daten senden eine klare Warnung: Die lebensbedrohliche Krankheit gedeiht weiterhin in Gebieten, in denen das Leben am unsichersten ist. Konflikte, Naturkatastrophen, humanitäre Krisen und andere destabilisierende Faktoren erschweren die Bereitstellung lebenswichtiger Gesundheitsdienste.

«Im Krieg sind Kinder nicht nur Bomben und Kugeln ausgesetzt, sondern auch tödlichen Krankheiten, die längst ausgerottet sein sollten», sagte die UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «In vielen Ländern erleben wir den Zusammenbruch von Gesundheitssystemen, die Zerstörung von Wasser- und Sanitärinfrastrukturen sowie die Vertreibung von Familien. All diese Faktoren führen zu einem Wiederaufleben von Krankheiten wie Polio. Die Folgen sind verheerend: Kinder sind gelähmt und können nicht mehr laufen, spielen oder zur Schule gehen.»

Ein globaler Rückgang der Kinderimpfungen hat ebenfalls zu einem Anstieg der Polioausbrüche geführt – selbst in Ländern, die seit Jahrzehnten poliofrei waren. Besonders deutlich wird dies in konfliktbetroffenen Ländern: In 15 der 21 betroffenen Staaten – darunter Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, Somalia, Südsudan und Jemen – kämpfen Kinder derzeit mit Polio.

In den letzten Monaten haben UNICEF und ihre Partner die Notfallmassnahmen zur Bekämpfung von Polioausbrüchen verstärkt. In Gaza erreichte UNICEF beispielsweise in Partnerschaft mit der WHO im Rahmen der ersten Runde einer Polio-Impfkampagne Mitte September nahezu 600 000 Kinder unter zehn Jahren. Die zweite und letzte Runde wurde erfolgreich im Süden und Zentrum von Gaza durchgeführt. Jedoch haben erneute Massenvertreibungen und Bombenangriffe den Prozess im Norden verzögert. Zum ersten Mal seit 25 Jahren ist Polio in Gaza erneut ausgebrochen.

Im Sudan ist die landesweite Kinderimpfrate von 85 Prozent vor dem Krieg auf 53 Prozent im Jahr 2023 gesunken. In aktiven Konfliktgebieten ist die Rate sogar auf lediglich 30 Prozent gefallen. Als Reaktion darauf haben UNICEF und ihre Partner in den letzten Monaten zwei Notfall-Poliokampagnen durchgeführt und dabei 2,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren erreicht.

Erfolgreiche Polio-Impfkampagnen in fragilen, konfliktbetroffenen und vulnerablen Ländern sind entscheidend, um weitere Fälle zu verhindern und gefährdete Kinder zu schützen. Humanitäre Pausen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass Gesundheitsmitarbeitende die Kinder erreichen und Impfungen sicher verabreichen können.

Der Kampf gegen Polio gestaltet sich in konfliktbetroffenen Gebieten besonders schwierig, doch die Ausrottung von Polio ist in Reichweite. Jährlich liefert UNICEF über 1 Milliarde Dosen Polio-Impfstoffe. Dafür ist jedoch zusätzliche Unterstützung notwendig. UNICEF appelliert an Regierungen, Partner sowie an Spenderinnen und Spender:

  • Die Impfung aller Kinder gegen Polio zu priorisieren, insbesondere in Konflikt- und humanitären Situationen sowie in Ländern mit niedriger Impfquote in Afrika und Teilen Asiens.
  • Impfprogramme zu stärken, um sicherzustellen, dass alle Kinder lebenswichtige Impfungen erhalten.
  • Humanitäre und Gesundheitshelfer:innen zu schützen, die Impfstoffe verabreichen, und die notwendigen humanitären Pausen für den Erfolg der Kampagnen zu respektieren.
  • Kritische Ressourcen für die Globale Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung (Global Polio Eradication Initiative) und Gavi, die Impfallianz, bereitzustellen, um Ausbrüche schnell zu stoppen und sicherzustellen, dass Kinder geimpft werden.
  • Die Ausrottung der Kinderlähmung auf allen politischen Agenden zu priorisieren, innovative Lösungen zu fördern und koordinierte Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der Impfkampagnen zu ergreifen.

«Die Ausbreitung von Polio gefährdet nicht nur die Kinder in den betroffenen Ländern unmittelbar, sondern stellt auch eine zunehmende Bedrohung für die Nachbarländer dar», fügte Russell hinzu. «Der letzte Schritt ist der schwierigste, aber jetzt ist die Zeit zum Handeln. Wir dürfen nicht ruhen, bis jedes Kind, an jedem Ort der Welt, endgültig vor Polio geschützt ist.»