Neuesten Schätzungen von UNICEF zufolge geht der Anteil der Mädchen in Kinderehen weltweit weiter zurück. Allerdings drohen zahlreiche Krisen, darunter Konflikte, Klimaschocks und die anhaltenden Folgen der Covid-19-Pandemie, hart erkämpfte Fortschritte zunichte zu machen. Laut einer heute veröffentlichten Analyse schätzt UNICEF, dass jedes Jahr zwölf Millionen Mädchen eine Kinderehe eingehen müssen. Derzeit leben 640 Millionen Mädchen und Frauen auf der Welt, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden.
Globale Krisen erschweren Abschaffung von Kinderehen – neuer UNICEF-Bericht
Der Anteil der jungen Frauen in Kinderehen ist seit den letzten Schätzungen vor fünf Jahren von 21 Prozent auf 19 Prozent gesunken. Jedoch müssten trotz dieses positiven Trends die Fortschritte im Kampf gegen Kinderehen 20 Mal schneller sein, um das nachhaltige Entwicklungsziel zu erreichen und bis zum Jahr 2030 diese Praxis ganz zu beenden.
Afrika südlich der Sahara, das mit 20 Prozent derzeit den weltweit zweitgrössten Anteil an Kinderbräuten trägt, ist beim aktuellen Fortschrittstempo mehr als 200 Jahre davon entfernt, Kinderehen zu beenden. Das starke Bevölkerungswachstum und die anhaltenden Krisen in der Region werden nach jetzigem Stand sogar zu einer steigenden Zahl von Kinderehen führen.
In den Regionen Lateinamerika und Karibik, Naher Osten und Nordafrika sowie Osteuropa und Zentralasien stagniert die Entwicklung weitgehend.
Für den global insgesamt positiven Trend sind hauptsächlich Fortschritte in Südasien verantwortlich. Die Region ist auf dem besten Weg, Kinderehen in rund 55 Jahren abzuschaffen. In der Region leben jedoch nach wie vor fast die Hälfte aller Kinderbräute. Obwohl Indien in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht hat, werden dort immer noch ein Drittel der weltweiten Kinderehen geschlossen.
Krisen verschärfen Ursachen und vermindern Schutzfaktoren
Die Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen in fragilen Situationen früh verheiratet werden, ist doppelt so hoch wie bei Mädchen im globalen Durchschnitt. Kinderehen haben für Mädchen sowohl unmittelbare als auch lebenslange Folgen. Sie bleiben mit geringerer Wahrscheinlichkeit in der Schule und sind dem erhöhten Risiko einer frühen Schwangerschaft ausgesetzt, was wiederum das Risiko von gesundheitlichen Komplikationen und die Sterblichkeit von Kindern und Müttern erhöht. Eine Frühehe kann Mädchen auch von Familie und Freunden isolieren und sie von der Teilnahme an der Gesellschaft ausschliessen, was ihre mentale Gesundheit und ihr Wohlbefinden stark beeinträchtigt.
Weltweit tragen Konflikte, klimabedingte Katastrophen und die anhaltenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie dazu bei, die tieferliegenden Ursachen von Kinderehen zu verschärfen – dazu zählt insbesondere die steigende Armut. Schätzungen zufolge hat die Pandemie die Zahl der verhinderten Kinderehen seit 2020 bereits um ein Viertel reduziert. Gleichzeitig, fallen Schutzfaktoren weg, weil Mädchen der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Sozialdiensten und Unterstützung durch die Gemeinschaft erschwert wird.
UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell ist jedoch der Auffassung, dass der positive Trend durch die unermüdliche Unterstützung der gefährdeten Mädchen und Familien fortgesetzt werden kann. «Wir müssen uns darauf konzentrieren, Mädchen in der Schule zu halten und sicherzustellen, dass sie wirtschaftliche Chancen haben», meint Catherine Russel.