Rund 60 000 Flüchtlinge aus Burundi leben im Mahama Camp in Ruanda. UNICEF Schweiz und Liechtenstein hat das Lager im Sommer 2019 besucht und mit zwei Jugendlichen gesprochen. Ein Erlebnisbericht.
Mahama Camp ist ein Flüchtlingslager im Südosten Ruandas. Darin leben rund 60 000 Menschen aus Burundi. Die meisten Bewohner haben ihre Heimat Burundi vor vier Jahren verlassen, weil sie wegen gewaltsamer Ausschreitungen aufgrund einer verfassungsrechtlich umstrittenen Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Pierre Nkurunziza um ihr Leben fürchteten. Ob und wann die Vertriebenen zurückkehren können, ist heute ungewiss. Im Jahr 2020 stehen in Burundi erneut Wahlen an; derselbe Präsident stellt sich zur Wiederwahl. UNICEF Ruanda wappnet sich bereits für eine weitere Flüchtlingswelle.
Noch vor zwei Jahren war das Flüchtlingslager von Tausenden von Zeltplanen übersät. Heute stehen den Bewohnern kleinere, eng aneinandergereihte Häuser aus Lehm und Ziegeln zur Verfügung. Nicht selten wohnen sechs Personen oder mehr darin. Mahama ist mittlerweile eine Stadt mit gleich vielen Einwohnern, wie im gesamten Bezirk ansässig sind. Und doch unterscheidet sich das Camp von einer normalen afrikanischen Stadt: Wer hinein oder hinaus möchte, muss eine streng bewachte Schranke passieren. Ausserdem sucht man im Lager vergeblich nach Gewerbetreibenden. Es gibt keine Stoffhändler, die Waren anbieten, da ist niemand, der am Strassenrand Früchte, Wurzelgemüse oder Hühner verkauft. Und es dringt nirgendwo lautes Hämmern oder Sägen aus einer Werkstatt. Mahama ist eine Kleinstadt ohne Aufgaben und Perspektiven für die Bewohner. Würden sich hier nicht 35 000 Kinder auf den Strassen und Spielplätzen tummeln, wäre Mahama ein stiller Ort.
Doch was bedeutet es für all die Kinder und Jugendlichen, im Mahama Camp zu leben? Wie gehen sie mit der Situation um, weit von ihrer Heimat entfernt an einen Ort gebunden zu sein, der sehr wenig Perspektiven bietet? UNICEF Schweiz und Liechtenstein hat das Flüchtlingslager im Sommer 2019 besucht und mit zwei Jugendlichen gesprochen.
«Ich heisse Nesta, ich bin 13 und lebe seit meinem 10. Lebensjahr zusammen mit meiner Mutter und meinen vier Geschwistern im Mahama Camp. Mein Vater ist in Burundi geblieben. Er ist Primarlehrer und Prediger. Zu Hause in Burundi lebten wir alle in einem grossen Haus und hatten ein gutes, unabhängiges Dasein. Hier wohnen wir alle auf engstem Raum. Von dem wenigen Geld, das meiner Mutter eigentlich für Nahrungsmittel zur Verfügung steht, spart sie so viel wie möglich, um uns Kindern schöne Kleider zu kaufen. Gepflegtes Auftreten ist ihr sehr wichtig. Die Schule, die ich besuche, liegt ausserhalb des Camps. Ich gehe sehr gern dorthin. Später möchte ich Arzt werden. Doch für eine weiterführende Schule fehlt mir, wie auch all meinen Freunden hier, das Geld. Ich weiss nicht, wie wir hier rauskommen können, um zu studieren. Trotzdem versuche ich positiv zu bleiben und die Chance zu nutzen, wenn ich eine bekomme.»
«Ich heisse Déborah und bin 14 Jahre alt. Manchmal träume ich noch immer von unserer Flucht vor vier Jahren. Ich höre die Schüsse, die meinem Vater galten und ihn zum Glück verfehlten. Dann wache ich mitten in der Nacht weinend auf und bin froh, zusammen mit meiner ganzen Familie im Mahama Camp zu sein. Doch das Leben hier ist nicht leicht. Alle Menschen hier haben sehr viel Zeit und kein Geld. Meine Eltern möchten gerne wieder arbeiten, mein Vater war früher Buschauffeur, meine Mutter bereitete Essen für Menschen zu, die keine Zeit zum Kochen hatten. Doch hier gibt es keine Aufgaben für sie. Ich bräuchte Medikamente für meine kranken Augen. Jedoch fehlen uns die nötigen Mittel für eine Behandlung. Wenn ich nach Burundi zurückkehren könnte, würde ich sofort hin. Ich gehe hier aber sehr gern zur Schule und möchte später unbedingt Journalistin werden.»