Statement von Bettina Junker, Geschäftsleiterin UNICEF Schweiz und Liechtenstein.
«Der Krieg im Sudan findet grösstenteils im Verborgenen statt. Die Ausschreitungen führen währenddessen zur weltweit grössten Vertreibungswelle. Eine Hungersnot wurde ausgerufen und Teile des Landes sind durch heftige Regenfälle massiv überflutet. Die humanitäre Hilfe stösst an ihre Grenzen. Es ist höchste Zeit zu handeln!
'Plötzlich hörten wir eine Explosion und sahen Menschen um uns herum umfallen. Auch ich ging zu Boden und wurde verletzt, und mein Freund aus dem Team starb.' So beschreibt der 13-jährige Abu den Moment, als er beim Fussballspielen durch Granatsplitter am Kopf verletzt wurde. Er hatte Glück und wurde im einzigen pädiatrischen Trauma-Krankenhaus in der Region von Khartum behandelt. Neun Kinder wurden bei diesem Vorfall verletzt, zwei Buben verloren ihr Leben. Abu und sein Freund stehen hier stellvertretend für unzählige Mädchen und Buben, die seit Ausbruch der anhaltenden Kampfhandlungen im Sudan verwundet oder getötet wurden.
Der Krieg hat die weltweit grösste Vertreibungswelle von über zehn Millionen Menschen ausgelöst, darunter vier Millionen Kinder. Und täglich werden es mehr. Doch das traurige Schicksal der sudanesischen Bevölkerung bleibt hierzulande grösstenteils unbemerkt. Zwar berichten ausländische Medien punktuell über die desaströse Lage im Sudan, doch meist stammen die Berichte aus Flüchtlingslagern angrenzender Länder wie beispielsweise dem Tschad. Dort ist der kleine Marktort Adre zu einer Stadt von Geflüchteten mit rund 150 000 Sudanesinnen und Sudanesen angewachsen. Aktuell entsteht in derselben Region ein neues Lager, weil jenes Flüchtlingscamp aus allen Nähten platzt. Auch wenn diese Flüchtlinge vorerst in Sicherheit sind, haben sie Dinge gesehen und erlebt, die keinem Menschen und vor allem keinem Kind zugemutet werden dürften.
Die humanitäre Hilfe stösst im Sudan an ihre Grenzen. Dabei leidet das Land unter einem extremen Mangel an Nahrungsmitteln. Über die Hälfte der Bevölkerung – 25,6 Millionen Menschen – ist von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen. Die massive Vertreibung wirkt sich verheerend auf die Versorgungslage im Land aus, da vielerorts die Felder nicht mehr bestellt werden. Seit Anfang August sind 400 000 schutzsuchende Menschen im Binnen-Flüchtlingslager «Zamzam» im Südwesten des Landes mit einer Hungersnot konfrontiert. Sie sind der Gewalt vorerst entkommen. Doch nun hungern sie, und manche werden sterben. Das schiere Ausmass dieser Notlage lässt sich aus der Ferne allerdings kaum erfassen. Hilfsorganisationen wie unsere sind mit erheblichen bürokratischen Hindernissen bei der Erlangung von Genehmigungen für die Lieferung von Hilfsgütern konfrontiert. Massive Regenfälle in den vergangenen Wochen führten obendrein zu Überflutungen, die nicht nur wichtige Zufahrtswege zerstörten, sondern auch Krankheiten wie aktuell Cholera mit sich bringen und damit die ohnehin schon herausfordernde Situation zusätzlich erschweren.
Allen Widrigkeiten zum Trotz sind wir vor Ort und retten mit unserer Arbeit täglich Leben. Dank der diplomatischen Vernetzung von UNICEF und der Zusammenarbeit mit den Konfliktparteien gelingt es uns immer wieder, die am stärksten betroffene Gebiete mit Gütern zu versorgen. Wir brauchen aber sicheren, ungehinderten und dauerhaften Zugang, damit die humanitäre Hilfe ausgeweitet werden kann. Die internationale Gemeinschaft ist in der Pflicht, ihre finanzielle Unterstützung für humanitäre Massnahmen zu verstärken und einen sofortigen Waffenstillstand herbeizuführen. Es ist höchste Zeit zu handeln, denn Kindheit braucht Frieden.»