Im Frühling reiste Seraina Peter, Mitglied unseres Teams für Partnerschaftskommunikation, im Rahmen der Partnerschaft mit der Z Zurich Foundation nach Vietnam. In diesem Blog schildert sie Eindrücke einer Reise, die für sie auch eine Rückkehr auf einen Kontinent war, mit dem sie sich sehr verbunden fühlt.
Fast ein Viertel meines Lebens habe ich in Asien verbracht. Viele prägende Momente haben sich in diesem Jahrzehnt ereignet: mein erster Auslandseinsatz, die Geburt meines zweiten Kindes und eine überstandene Pandemie. Asien, ein Kontinent, mit dem ich viele schöne Erinnerungen verbinde. Nun war ich also zurück und gespannt, was mich in den nächsten Tagen auf meiner ersten UNICEF-Reise erwarten würde.
Als ich kurz nach meiner Ankunft am Sonntagabend durch die belebten Strassen von Hanoi schlenderte, roch es überall nach dampfender Phở-Suppe und die beliebten «Banh Mi»-Verkaufswagen standen an jeder Strassenecke. Das im Südosten der indochinesischen Halbinsel gelegene Vietnam ist mit seiner vielfältigen Architektur, den unterschiedlichen regionalen Küchen und den alten Traditionen eine wahre Reizüberflutung. Zudem ist Vietnam eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Asiens, mit einer Bevölkerung, die bald 100 Millionen erreichen wird. Gleichzeitig wird für die digitale Wirtschaft ein jährliches Wachstum von 20 % erwartet. (Quelle)
Doch der Wirtschaftsboom ist nur die eine Seite der Medaille. «Das Land ist in zwei Realitäten geteilt», erklärte Lesley Miller, stellvertretende UNICEF-Repräsentantin in Vietnam, als sie uns am Montagmorgen in ihrem Büro in Hanoi begrüsste. «Auf der einen Seite das schnell wachsende und digital transformierte Vietnam. Auf der anderen Seite das rurale Vietnam.» Es sind die ländlichen Gebiete, in denen 60 % der Bevölkerung und die meisten der 53 Minderheiten des Landes leben. Sie haben nur begrenzten Zugang zu Infrastruktur und Dienstleistungen. «Diese Ungleichheit ist (für UNICEF) ein grosses Problem», so Miller, «auch im Hinblick auf die psychische Gesundheit der jüngeren Generation.»
Besorgniserregende Zahlen
Jüngste Berichte über die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Vietnam zeigen, dass 20 % unter psychischen Problemen leidet. Angstzustände sind das häufigste psychische Problem, gefolgt von Depressionen.
Um dieser alarmierenden Situation entgegenzuwirken, haben sich UNICEF und die Z Zurich Foundation zusammengeschlossen, um Tools zur Förderung des psychischen Wohlbefindens junger Menschen zu entwickeln. Das Projekt ist Teil einer Partnerschaft, die sieben Länder umfasst, darunter auch Vietnam. Gemeinsam mit der Z Zurich Foundation will UNICEF sicherstellen, dass alle jungen Menschen auf der ganzen Welt dabei unterstützt werden, ihre psychische Gesundheit zu optimieren.
Lesley Miller und ihr engagiertes Team haben bisher Beeindruckendes geleistet: Nahezu 600 000 junge Menschen, Lehrkräfte und Betreuer haben an Workshops, Konferenzen und Kampagnen auf nationaler und regionaler Ebene teilgenommen. Die Ziele sind klar definiert: Förderung einer positiven psychischen Gesundheit, Abbau von Stigmatisierung und Verringerung der Risiken im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit. Zudem wurden in den vergangenen zwei Jahren durch die nationale UNICEF-Kampagne #OnMyMind 18-20 Millionen Menschen in Vietnam erreicht.
Nach einem spannenden Vormittag im United Nations Gebäude in Hanoi, das neben UNICEF auch andere UN-Agenturen wie UNDP, UNESCO, UN-Habitat und UN Women beherbergt, ging es weiter zum nächsten Termin, der uns in ein historisches Gebäude in der Altstadt führte.
Ehrgeizige Ziele
Ein Schlüsselelement der UNICEF-Programmarbeit in Vietnam ist die enge Zusammenarbeit mit der Regierung, insbesondere mit dem Ministerium für Erziehung und Ausbildung.
Das Treffen mit Professor Vinh und seinen Forscherkollegen vom Viet Nam National Institute of Educational Sciences (VNIES) war für mich eine aufregende Premiere. Mein erstes Treffen mit Regierungsvertretern in Asien. Professor Vinh empfing unsere Delegation in einem riesigen mit dunklem Holz und schweren Stühlen ausgestatteten Konferenzraum. Er drückte seine Besorgnis über die derzeitige Situation der psychischen Gesundheit von Jugendlichen in Vietnam aus: «Leider ist die vietnamesische Gesellschaft immer noch zurückhaltend in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Fragen der psychischen Gesundheit. Dies ist vor allem auf ein mangelndes Bewusstsein bei Eltern und Lehrern zurückzuführen. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin an einer psychischen Störung leidet, wird er oder sie oft stigmatisiert. Dies führt dazu, dass junge Menschen zögern, über ihre Gefühle zu sprechen, und bedeutet, dass sie nicht angemessen unterstützt werden können.»
Es war spannend, mehr über die proaktiven Massnahmen der vietnamesischen Regierung zu erfahren, jungen Menschen über das nationale Bildungssystem Instrumente und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Ein inspirierendes Beispiel dafür, wie die psychische Gesundheit junger Menschen auf breiter Basis gefördert werden kann. Es wurde deutlich, dass in Vietnam ehrgeizige Ziele verfolgt werden, die hoffentlich auch anderen Ländern in der Region als Vorbild dienen werden.
Interessierte Schülerinnen und Schüler
Mein persönliches Highlight der Reise war der Besuch in der Thuc Nghiem Lower Secondary School in Hanoi, wo ich beobachten konnte, wie die im Rahmen der Partnerschaft mit der Z Zurich Foundation entwickelten Toolkits und Materialien in der Praxis eingesetzt werden.
Die Schulstunde der 7. Klasse drehte sich um «Magnificent Mei and Friends», ein Comic, der das soziale und emotionale Lernen von Jugendlichen unterstützt. Dieses kreative Tool soll die Schülerinnen und Schüler ansprechen und positiv beeinflussen, indem es Empathie und kritisches Denken fördert.
Während die Lernenden in Gruppen arbeiteten und versuchten, verschiedene Emotionen zu identifizieren, beschrieb ihre Lehrerin, Frau Hoang, die positive Atmosphäre im Klassenzimmer: «Es ist erfrischend zu sehen, wie viel Spass meine Schülerinnen und Schüler am Unterricht haben und wie leicht es ihnen fällt, über Gefühle und Emotionen zu sprechen. Es ist eine Bereicherung, diese neue Generation zu unterrichten und zu beobachten, wie offen sie über psychische Gesundheit spricht. Das ist ganz anders, als ihre Eltern aufgewachsen sind.»
Nachdem die Schülerinnen und Schüler ihre Schlussfolgerungen präsentiert haben, ermutigte Frau Hoang sie, verschiedene Gefühle anzunehmen. Sie räumte ein, dass Emotionen in diesem Alter nicht immer kontrollierbar seien. Gleichzeitig beruhigte sie die Jugendlichen und versicherte ihnen, dass dies völlig normal sei.
Die Teilnahme an der zweiten Unterrichtsstunde zum Thema psychische Gesundheit - diesmal mit der 9. Klasse - bot eine weitere Gelegenheit, mehr über die Gefühlswelt der Jugendlichen zu erfahren. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler war die Unterscheidung von Fakten und Mythen zum Thema psychische Gesundheit. Ziel war es, die Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren und mögliche Stigmatisierungen abzubauen. Der 15-jährige Schüler Son Lam verfolgte den Unterricht mit grossem Interesse: «Der Unterricht über psychische Gesundheit ist sehr hilfreich, weil wir die wahren Ursachen für psychische Probleme verstehen und lernen, damit umzugehen». Seine Klassenkameradin Khanh Linh fügte hinzu: «Ich bin froh, verschiedene Strategien zu lernen, die mir helfen, psychische Probleme von vornherein zu vermeiden.»
Grossartige Botschafter
Am Ende dieses langen Tages war ich sehr beeindruckt von dem Interesse und dem Engagement, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler der beiden Klassen mit dem Thema psychische Gesundheit auseinandergesetzt haben, und von dem, was sie heute über ihre Emotionen gelernt und preisgegeben haben. Ich bin mir sicher, dass sie grossartige Botschafter für psychische Gesundheit sein werden, und das stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft Asiens, meiner zweiten Heimat.